A Borrowed Life (1994): Wu Nien-Jen's autobiografischer Film "A Borrowed Life" ist ein Traum in der Vergangenheit, der so in seiner Vision konzentriert ist, dass man nach einer Weile zu spüren beginnt, selbst in dem schäbigen Bergbau-Dorf im Norden von Taiwan zu leben, in welchem der Großteil der Geschichte spielt. (FILM REVIEW, Stephen Holden, 29.3.1995 - Übersetzung T.M.F.)
Der Film, der rund drei Stunden läuft, ist kein konventioneller Bildungsroman, in dem ein junger Mann heranwächst und aus dem "familiären Nest" in eine Reise in die Selbst-Entdeckung flieht. Obwohl Wen Jian, der filmische Beobachter, genau das tut, haben wir bis zum Ende des Films fast nichts über ihn erfahren, als die Tatsachen, dass er gebildet, erfolgreich und verheiratet ist und ein Kind hat. Stattdessen setzt der Regisseur seine Aufmerksamkeit auf den Vater Wen Jian's, Sega (Tsai Chen-nan), und schafft damit ein bewegendes Porträt der Frustration und Zähigkeit, implizierend das Echo der Erfahrungen einer ganzen Generation.
"A Borrowed Life" vermittelt ein außergewöhnlich lebendiges Gefühl der "natürlichen Welt", wie sie von einem Kind wahrgenommen wird. In ihren langsamen, bewussten Bewegungen, pausiert die Kamera immer wieder, um zu beobachten, wie z.B. der Wind durch das Gras rauscht.
In dem Bestreben Atmosphäre zu schaffen, zeigt der Film auch die Rhythmen und Klänge des armseligen Dorflebens. Sega arbeitet in einer Goldmine, die schließlich geschlossen wird und ihn verbittert und mit Sorgen zurücklässt. Seine Ehe mit einer ungeduldigen, hart arbeitenden Frau (Chiou Tsai-Fong), die ständig über ihre Armut nörgelt, ist auch von Höhen und Tiefen geprägt.
In einer der ersten Szenen wird Wen Jian (er wird im Laufe des Films von drei Schauspielern gespielt) von Sega ins Kino mitgenommen und dort alleine gelassen, während sein Vater mit seinen Kumpanen ein Bordell besucht.
Die Kluft zwischen den Generationen von Vater und Sohn wird auch durch die Tatsache vergrößert, dass Sega, aufgewachsen während der japanischen Besetzung von Taiwan, japanisch spricht und den Lebenstraum hat, den Fuji-Berg und den Kaiserpalast in Tokio zu sehen. Dagegen hat Wen-Jian nur Mandarin-Chinesisch gelernt. Und dieser Kampf der Sprachen und Kulturen ist eines der durchgehenden Themen des Films.
Die Erzählung von "A Borrowed Life" ist eine Mischung von Beziehungen zwischen Familienmitgliedern, exzentrischen Verwandten, Hochzeiten und des sich wandelnden wirtschaftlichen Lebens des Dorfes. Einige Geschichten werden indirekt erzählt. So gibt es eine Szene, in welcher die Kamera in einem leeren Raum schwenkt, während woanders (hörbar) ein Streit ausbricht. Während so ein Kunstgriff ein Gefühl für die Sicht eines Kindes und eines "Ins-Leben-geworfen-werdens, ohne alles was passiert begreifen zu können" vermittelt, kann er aber auch den Wunsch nach mehr Informationen erzeugen.
Der Film steigert sich zu einer langen, qualvollen Sequenz, die Verschlechterung der unheilbaren Lungenkrankheit Segas, welche er sich in den Minen erworben hat, zeigend. So direkt, wie sie das Klima des Dorfes vermittelt, betrachtet die Kamera die unheilbare Krankheit und das Leiden mit einem ruhigen, schonungslosen Auge. Man verlässt das Kino mit dem Gefühl, den Bogen eines faszinierenden, leider nicht erfüllten Lebens, persönlich miterlebt zu haben.