Pressestimme
"Mathias
Grewe ist Produkt der 68er-Bewegung, ist Produkt der Ölkrise,
ist Produkt der Sinnkrise, ist Produkt der Bildungskrise, ist
Produkt der Autoren Georg Heinzen und Uwe Koch, das unter dem
Titel »Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden« bei Rowohlt
erschienen ist und verspricht, ein Renner zu werden.
Zu Recht und aus gutem Grund. Dieses Buch ist peinlich: peinlich
genau und peinigend, die bis in die Sprache perfekte
Rekonstruktion des Bodensatzes der Rebellion der 60er Jahre und
ihrer Folgebewegungen."
(Cora Stephan im Spiegel vom
11.11.1985)
LESEPROBEN
Askese in der
Überflussgesellschaft und ihre Entwertung durch
Alternativlosigkeit - Fluchtpunkt Genuss
"Jobs wurden immer
wichtiger für mich, nicht nur als Kompensation der
Zwecklosigkeit meines Studiums, sondern auch, um die materielle
Genügsamkeit meines Lebensstils auszugleichen, die immer als
Opposition zur Überflussgesellschaft gedacht gewesen war, aber
in Wirklichkeit nur die Verarmung vorwegnahm. Nun hatte ich
genug von dieser ganzen sozialen Bescheidenheit und dachte, dass
ich zu asketisch gelebt hatte. Vielleicht hatte ich den
Konsumverzicht nur so lange ertragen, wie mir ein späteres Leben
in großzügigeren Verhältnissen sicher schien. Seit ich daran
zweifelte, ob jemals etwas daraus werden würde, wollte ich das
Genießen lernen." (S.83)
Die neoliberale
Neidmechanik
"Alle
mittelständischen Unternehmer schimpfen auf den Staat. Meine
früheren Chefs, mein Zahnarzt und Onkel Heiner teilen stets
aller Welt mit, dass ihre Arbeit zu geringen Ertrag abwirft.
(...).
Natürlich haben auch Arbeiter und Angestellte das Gefühl,
weniger zu erhalten, als ihnen zusteht, aber im Gegensatz zu
Onkel Heiner würde Vater sich wohl nie bei einer
Geburtstagsfeier darüber auslassen. Für Onkel Heiner liegt die
Schuld beim Staat. (...). »Leistung wird bei uns bestraft«, ist
eine beliebte Parole von ihm. Für Vater liegt die Schuld bei ihm
selbst, weil er es nicht zu mehr gebracht hat. (...). Auf
Unternehmer zu schimpfen, ist die unfeine Art der Erfolglosen.
Das machen fanatische Gewerkschafter, Kommunisten und ewig zu
kurz Gekommen wie ich, die immer noch einen Klassenstandpunkt
haben wollen in einer Welt von unternehmenden Mitbürgern und
Arbeitsplatzbesitzern. Aber auf den Staat zu schimpfen, ist das
Einverständnis der Erfolgreichen." (S.163f.)
Wider die
Entwertung der Biografie
"Erst dachte ich,
meine hoffnungsvolle Vorgeschichte sei dieser Irrtum, weil ich
vor lauter Erwartungen an das Leben, das ich mir erträumte,
untauglich wurde für das Leben, wie es wirklich ist. Aber ich
halte daran fest, dass die Vorgeschichte, die mich dazu
verleitet hat, etwas vom Leben zu verlangen, ein Irrtum ist. Die
Umstände, die meine Vorgeschichte so schrecklich nutzlos werden
ließen, sie sind der Irrtum." (S.183)
Ein Manifest
"Ich träume von
einer besseren Zukunft, weil ich mir eingestehen kann, in einer
unglücklichen Gegenwart zu leben. Ich halte die Entzweiung aus
und kann zugeben, Ziele nicht erreicht und Wünsche nicht
verwirklicht zu haben. Ich fühle mich nicht mehr als Verlierer.
Ich werde niemals sagen, dass die Arbeit schön ist, zu der ich
gezwungen bin. Und ich werde niemals sagen: »Man gewöhnt sich an
alles«. Ich werde mich nicht gewöhnen. Und ich werde meine Ziele
nicht widerrufen, nur weil sie sich nicht erreichen lassen.
Ich entziehe mich dem Alltag, von dem ich ahne, wie schrecklich
er ist. Ich halte mich heraus aus dem schäbigen Teil der
Wirklichkeit und halte deshalb nicht Prügel für ab und zu
notwendig, Unternehmer für erfinderisch und Luftverschmutzung
für unvermeidlich. Ich weiß Ostern noch nicht, auf welche
Wochentage Weihnachten fällt.
Auf mich kann sich keine Behörde verlassen. Auch als Verbraucher
bin ich unberechenbar.
(...).
Einverständnis ist von mir nicht zu erwarten. Solange es keinen
richtigen Beruf für mich gibt, verdiene ich meinen
Lebensunterhalt. Ich mache meine Arbeit, aber ich mache sie
unversöhnt.
Ich werde keine Geschichten mehr von damals erzählen. Ich werde
auch nicht sagen »Früher war alles besser«, auch wenn ich das
manchmal denke. Mein falscher Plan vom Leben hatte auch sein
Gutes. Ich bin nicht mehr zu vereinnahmen. Ich hoffe nicht mehr
auf Angebote. Ich glaube an keinen lieben Gott und keinen freien
Markt. Ich werde mich niemals genug langweilen, um mir einen
Hund zuzulegen."
(...).
Ich bin, der ich bin. Ein freundlicher junger Mann, der in die
Jahre gekommen ist. (...). Der höflich ist, aber nicht
gutwillig. Ein Arbeiter im monotonen Getriebe, der einmal höher
hinaus wollte und jetzt, ganz ohne Gesellenbrief, bei denen
gelandet ist, für die er sich in seiner Freizeit einsetzen
wollte. (...). Der es ertragen kann, die Verhältnisse
unerträglich zu finden (...). Der sich nicht mehr darüber
beklagt, betrogen worden zu sein, der lieber oppositionelle als
verbittert ist." (S.188ff.)
Kommentar
Thomas: Ja, was soll ich sagen,
das Buch war für mich 1985 so etwas wie ein Schock. Ab da habe
ich während meines Studiums keine einzige Arbeit mehr abgegeben,
sie waren nur mehr für mich, Selbstzweck, sich jeder
Fremdbewertung entziehend. Einer meiner Lieblingssätze: "Die
Umstände, die meine Vorgeschichte so schrecklich nutzlos werden
ließen, sie sind der Irrtum."